Kunstschrank
Kaputtes Stillleben.
In einer Ecke unserer kleinen Galerie stoßen Sie auf ein kaputtes Stillleben. Das von Rissen und Sprüngen umhüllte Kunstwerk wird hoffentlich Ihre Aufmerksamkeit erregen. Wo andere vielleicht nur ein beschädigtes Kunstwerk sehen, hoffe ich, dass Sie etwas anderes sehen. Ein sanfter, goldener Glanz schimmert durch die Risse und breitet sich wie zarte Adern über den Kunstschrank aus. Diese Cracks erzählen Geschichten. Jede von ihnen ist wie eine Narbe, die sich an ein Ereignis erinnert, an ein einmal zu tiefes Gefühl oder an einen Traum, der nie ganz eindrang
kam heraus. Diese Unvollkommenheiten verleihen etwas Besonderes. Es ist, als ob sich die Seele des Kunstwerks ohne Scham offenbart und in dieser Verletzlichkeit eine besondere Schönheit liegt. Dieser Gedanke inspiriert mich. Es erinnert mich daran, wie in den Menschen oft etwas Kostbares durch die Risse ihrer Seele hindurchscheint. Sie sind genau das
Narben, Unvollkommenheiten und Bruchstücke, die einen Menschen einzigartig machen. So wie das Gold, das durch die Ritzen dieses Stilllebens scheint, können wir in unseren eigenen Ritzen einen unerwarteten Glanz entdecken. Vielleicht ist es das Gold nicht
Materiell, sondern die Stärke und Widerstandsfähigkeit, die entsteht, wenn wir unsere Unvollkommenheiten annehmen. Beim Betrachten der Arbeit bin ich dankbar für die Lektion, die ich durch diese zerbrochene Schönheit gelernt habe: Durch unsere Risse fließt das Gold unserer Seele
wird sichtbar.
Helen Hobelman